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October 30, 2009 on 7:03 pm | In allgemeines | No Comments
Wien (OTS) - Demonstrierende Studenten; protestierende Pensionistenvertreter; ein empörter Ex-Minister, dem die Justiz nicht gefügig genug ist; dazu ein künftiger EU-Kommissar, der diese Funktion mit einem Teilzeitjob verwechselt: Derzeit läuft einiges schief in Österreich. Nach außen hin besonders peinlich war das Ansinnen von Noch-Wissenschaftsminister Johannes "Gio" Hahn, künftig eine Doppelrolle als EU-Kommissar und als Parteichef der Wiener ÖVP zu spielen. "Geht schon", sagte Hahn den Medien. "Geht nicht", musste er sich vom Chefsprecher der Kommission eines Besseren belehren lassen: Das würde dem Verhaltenskodex für Kommissare widersprechen. Hahn hat demonstriert, wie wenig man in Österreich von politischem Anstand hält.
Diese Unsitte hat sich leider in den letzten Jahren bis in die Justiz durchgefressen. Tut sie ihre Pflicht, löst das bei ehemaligen Regierungsmitgliedern wie Karl-Heinz Grasser Unmut aus. Der Ex-Finanzminister hat sich jüngst brieflich bei Justizministerin Claudia Bandion-Ortner beschwert. Die Staatsanwälte mögen ihn doch bitte vor weiteren Belästigungen im Zusammenhang mit seinem Engagement bei Meinl und dubiosen Geldflüssen rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen verschonen.
Bandion-Ortner scheint Einsicht zu haben: Sie traf diese Woche im Kaffeehaus Grasser-Anwalt Manfred Ainedter zu einem gewiss nur amikalen Plausch übers Herbstwetter.
Grassers Unmut ist verständlich. Warum wird gerade er verfolgt? Immerhin hat ein Staatsanwalt vor nicht allzu langer Zeit Anzeigen gegen den Innenminister einfach "vergessen"; ein anderer hat ein Verfahren wegen Unterschriftsfälschung gegen den Lebensgefährten einer früheren Justizministerin niedergeschlagen - alles ganz ohne jede Weisung von oben, und für die Beteiligungen gilt die Unschuldsvermutung. In einem solchen Klima entsteht berechtigtes Misstrauen gegen Politiker und Interessenvertreter. Besonders deutlich wird das bei den jüngsten Studentenprotesten. Die Funktionäre der Hochschülerschaft hatten nichts mitzureden. Das ist verständlich. Sie haben jahrelang versäumt, als Gegenleistung für Gebühren ordentliche Studienbedingungen einzufordern. Jetzt gibt es keine Studiengebühren, keine Zugangsbeschränkungen und das blanke Chaos. Wo Verhandlungspartner fehlen, blüht der Frust. Die Regierung sollte überlegen, was wirklich hinter den Protesten steht: Die Jugend fürchtet um ihre Zukunft.
Sie ist ohnehin erstaunlich ruhig geblieben, als sich die Pensionistenvertreter in den letzten Wochen ein großes Stück vom schrumpfenden Kuchen des allgemeinen Wohlstands abschneiden wollten. Die hunderten Millionen, die zusätzlich in Pensionserhöhungen und die Verlängerung der Hacklerregelung gepumpt wurden, fehlen für Forschung und Bildung. Man darf gespannt sein, ob diesmal Vernunft walten wird. Mit politischen Tricksereien fällt Österreich in Brüssel auf die Nase, mit Mauscheleien im Justizsystem geht der Glaube an den politischen Anstand verloren, mit Scheinlösungen für Schulen und Universitäten wird der Frust der Jugend genährt und mit überzogenen Pensionserhöhungen die Zukunft aufs Spiel gesetzt.
Politiker und Interessenvertreter haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn an ihnen vorbeiprotestiert und vorbeigehandelt wird. Damit wächst aber auch die Gefahr, dass künftig auf der Straße und nicht am Verhandlungstisch Politik gemacht wird. Noch ist Gelegenheit, sich wieder politischer Grundwerte und der ökonomischen Vernunft zu besinnen. Die Zeit wird aber knapp. Zwischen Frust und Aufstand liegt nur noch eine kurze Strecke.
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